Von Michael Braunschweig, Mitglied der Kirchenpflege, Ressort Kommunikation

Die Landesregierung muss unsere Stoßgebete gehört haben, die wir zwischen dem tausendsten „aramsamsam gulli gulli gulli ramsamsam“ und dem mittlerweile hundertfach verstorbenen und wieder zum Leben erwachten „Häschen in der Grube“ zum Himmel stießen. Alles Gute kommt von oben. So auch die Nachricht, dass die strengen Isolationsmaßnahmen nun schrittweise gelockert werden dürfen. Nach gut einem Monat, in dem unsere Wohnung gleichzeitig als Bastelraum, Vorlesungssaal, Fußballfeld, Konferenzraum, Tanzbühne und Sitzungszimmer diente, sind wir nicht unglücklich über diese Entlastung.
Mit dem bundesrätlichen Lockerungsplan waren nun auch wir gefordert, eine Exitstrategie aus dem familiären Lockdown zu organisieren. Seit dieser Woche nehmen wir die Betreuungsleistungen unserer Krippe wieder als für unser kleines Familiensystem relevante Entlastung in Anspruch. Die umsichtige Leiterin unserer Kita hatte uns Eltern per Mail dezent darauf hingewiesen, dass die Rückkehr zu normaleren Verhältnissen für unsere Kinder möglicherweise nicht gleich leicht zu bewältigen sein wird wie für uns Erwachsene. Denn nach über einem Monat Abwesenheit von der Kita und den anderen Kindern werden sie sich an diese nun wieder neue Situation erst wieder gewöhnen müssen.
Den Rat haben wir uns zu Herzen genommen und ein didaktisch gestuftes Vorbereitungsprogramm gestartet: In der vergangenen Woche haben wir zunächst immer wieder von der Kita, den Betreuerinnen und den anderen Kindern gesprochen, dann haben wir regelmäßig Bilder aus dem Kita-Alltag angesehen und schließlich haben wir unsere täglichen Spaziergänge so gelegt, dass sie uns an der Kita vorbeiführten. Durch die großen Glasscheiben konnten unsere Kinder so bereits mit den anderen Kindern wieder Kontakt aufnehmen; was sie so gerne taten, dass man sie von der Scheibe fast unter Tränen losreißen musste. Und dann kam der große Tag, an dem sie früh am Morgen wieder in die Kita aufbrechen durften. Es lief zum Glück alles, als hätte es keine Corona-bedingte Abwesenheit gegeben: Voller Freude stürzten sie sich, kaum waren wir angekommen, in ihren Gruppenraum und jauchzten, begeistert darüber, dass ihnen alles vertraut war.
Dankbar nehmen wir derweil die Entlastung unseres Heimbüros an – und sind froh darüber, dass uns diese Krise noch vor der Schulpflicht unserer Kinder getroffen hat. Voller Respekt stellen wir uns vor, wie ungleich anspruchsvoller es in den letzten Wochen gewesen sein muss, gleichzeitig Arbeit, Familie und Schulunterricht in der eigenen Wohnung und in einem auf Dauer auch ertragbaren 24-Stunden-Rhythmus unterbringen zu müssen – und das alles ganz ohne Unterstützung der Großeltern.
Nach der langen Periode ungewisser Aussichten, ging nun plötzlich alles wieder ziemlich rasch. Fast ein wenig zu rasch. Denn diese Zeit buchstäblich beengter Verhältnisse hatte auch ihre schönen Seiten. Vor allem aber hatten wir uns für diese Zeit eigentlich noch mehr erzieherische Ziele vorgenommen: den Kindern die Angst zu nehmen vor dem Laufrad, sie an den Topf oder gar ans WC heranzuführen und vielleicht, ja, vielleicht sogar: den ewigen Nuggi endlich ins Pfefferland zu verbannen. Aus alledem wurde nur ansatzweise etwas: Das Interesse fürs Laufrad hat zugenommen – der gehörige Respekt ist aber noch immer da. Die WC-Schüssel ist immer noch vor allem ein Studienobjekt, aber immerhin hat Töchterchen bereits einmal ein Probesitzen gewagt. Ganz traurig sind wir allerdings auch nicht, dass wir diese Ziele nicht erreicht haben. Denn insgeheim wünschen wir uns ja, dass wir unsere Kinder eines Tages von der Kita abholen und wir verdutzt erfahren, dass sie ab nun keine Windeln mehr brauchen.
Das Hoffen auf diese kleinen Wunder muss ja auch in Krisenzeiten erlaubt sein. Wenngleich auch bei uns die große Hoffnung überwiegt, dass die Suche nach einer Impfung bald erfolgreich sein wird. Dum spiro, spero.
Dieser Beitrag erschien in leicht anderer Fassung am 25.4.20 in der „Schweiz am Wochenende“ und verschiedenen Regional-Zeitungen. Online findet er sich z.B. unter diesem Link.