Zu Hause bleiben ist für uns alle momentan das Credo. Die sozialen Kontakte also auf ein Minimum reduzieren, um so zu versuchen, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Doch was passiert mit denen, die eben kein zu Hause, kein Dach über dem Kopf haben? Wo gehen sie hin und wie gehen sie mit der aktuellen Krise um? Spurensuche beim Sozialwerk Pfarrer Sieber.
Die Covid-19-Krise trifft auch etliche Einrichtungen der Obdachlosenhilfe der Stadt Zürich, wie den Pfuusbus und das Iglu, die Notschlafstellen des Sozialwerk Pfarrer Sieber (SWS). Die beiden Einrichtungen mussten geschlossen werden – und bauen gleichzeitig ihr Angebot aus. Denn: Randständige im Stich zu lassen, kommt für das SWS nicht in Frage. Die Gassenarbeit bietet Hilfssuchenden seit dem 23. März eine 24-Stunden-Betreuung mit Verpflegung, Beratung und Seelsorge. Walter von Arburg (Foto), Kommunikationsbeauftragter vom SWS, erläutert die Situation.

Herr von Arburg, wer kommt zurzeit zu Ihnen und was brauchen die Menschen nun besonders?
Zu uns kommen Menschen, deren Lebensmittelpunkt auf der Strasse ist. Menschen also, die obdachlos oder von der Schliessung sozialer Treffpunkte besonders betroffen sind. Dadurch ist ihre Tagesstruktur stark tangiert, sie werden zurückgestossen in die Einsamkeit. Im Rahmen unseres 24/7-Angebots auf dem Pfuusbus-Areal können wir sie wieder etwas aus dieser Isolation herausholen.
Ist Corona bei den Hilfssuchenden ein grosses Thema?
Viele Hilfesuchende sind sich bewusst, dass sie zur Hochrisikogruppe gehören, weil sie krank oder durch das Leben in unsicheren und erschwerenden Verhältnissen geschwächt sind. Sie werden noch mehr stigmatisiert und zurückgestossen oder übersehen als sonst schon. Gleichzeitig erleben wir sie als sehr achtsam, diszipliniert und unterstützend in der Beachtung der Verhaltensregeln, die eingehalten werden müssen, damit unser Angebot funktioniert.
Corona hat in der Gesellschaft eine grosse Solidaritätswelle ausgelöst. Merken Sie davon auch etwas?
Ja, sehr. Und das ist wirklich berührend und bewegend. Menschen bieten wertvolle Dienste an: Zeit, Manpower, Sach- und Lebensmittelspenden, gute Gedanken und Gebete. Wir werden getragen und unterstützt. Das tut gut.
Krisen können auch Chancen sein – auch für das Sozialwerk Pfarrer Sieber?
Ich wurde in den letzten Jahren, insbesondere nach dem Tod unseres Stiftungsgründers und angesichts des Verschwindens der offenen Drogenszene aus dem öffentlichen Raum, oft gefragt, ob es uns denn überhaupt noch braucht. Und die Antwort ist ganz klar: Ja. Ja, es brauchte und es braucht uns – nicht erst jetzt, wo die Not wieder sichtbar wird. Sichtbar wird aber gerade jetzt, wie wichtig es für das Zusammenleben in unserer Stadt und in unserer Gesellschaft überhaupt ist, dass eine Organisation gibt, die schnell und unkompliziert das Richtige im richtigen Moment und am richtigen Ort tun kann. Insofern ist diese Krise in ihrer ganzen unbestrittenen Tragik auch eine Chance.