Vom Kloster direkt in die Ehe

Im 16. Jahrhundert wurden in Zürich die Köster aufgehoben. Reformator Ulrich Zwingli hielt sie für nicht gottgewollt. Sein Plan für die Nonnen? Heirat. Vom Kloster direkt in die Ehe. Die Geschichte der Zürcher Nonnen ist nur ansatzweise bekannt, liest sich aber wie ein Krimi.

Die Reformation hatte weitreichende Folgen für Zürich und seine Bewohnerinnen und Bewohner. Denn Ulrich Zwingli liess – im religiösen Kontext – kaum ein Stein auf dem anderen. Er wandte seine Überzeugung, dass einzig die Bibel als gültige Richtlinie in Glaubensfragen dienen sollte, auf viele Bereiche an. Seine Entscheide brachten grosse Veränderungen mit sich – auch für Mönche und Nonnen. Denn für Zwingli war klar: Das Klosterleben lässt sich nicht mit der Bibel begründen, ja widerspricht ihr sogar. Er verurteilte die Lebensweise der Nonnen und Mönche und forderte in einer Predigt im grössten Zürcher Frauenkonvent in Ottenbach im Sommer 1522 die Glaubensfrauen auf, die Bibel zu lesen und alles zu verwerfen, was sich nicht damit begründen liesse. Die Abschaffung der Klöster war für Zwingli beschlossene Sache: Der Zürcher Rat unterstützte seine Meinung, hob die Konvente 1524 auf und übernahm deren Besitz.

Vom Kloster in die Ehe
Doch was sollte jetzt aus den Geistlichen werden? Ulrich Zwingli hatte ganz klare Vorstellung, wo es die Nonnen hinführen sollte: vom Kloster direkt in die Ehe. Eine Rückkehr ins weltliche Leben also. Doch viele der Frauen waren bereits als kleine Mädchen ins Kloster eingetreten und hatten ihr Leben Gott gewidmet. Nun zurück in die Gesellschaft zu gehen, zu heiraten, eine Familie zu gründen – unvorstellbar. Zudem war die monastische Lebensweise für Frauen oft der einzige Weg, ein selbstständiges Leben zu führen. Ein Leben also, in dem sie Ämter und Verantwortung übernehmen konnten. Der Austritt aus dem Kloster war so auch hier – anders als bei den Mönchen, die einen handwerklichen Beruf ergreifen konnten – schwierig. Denn aufgrund ihres Geschlechts und ihrer sozialen Position blieb ihnen auch dieser Weg versperrt. 

Kein organisierter Widerstand
700 Jahre lang existierte die Zürcher Fraumünsterabtei bis ihre Äbtissin, Katharina von Zimmern, im Dezember 1524 freiwillig ihr Kloster dem Rat übergab. Im Gegenzug wurde sie mit einer hohen Leibrente belohnt. In den drei anderen Zürcher Konventen fand indes keine offizielle Übergabe statt. Aber trotz grossen Unmuts leistete keiner geschlossenen Widerstand. Schliesslich verliessen alle ihr Zuhause – weil sie schlicht keine andere Wahl hatten. Dabei wurden die Frauenklöster nicht ganz so rigoros geräumt, wie diejenigen der Männer. Diese wurden vom Rat als Zentren des Widerstands gegen die Reformation angeschaut. Sie wurden vor vollendete Tatsachen gestellt und die Umsiedelung ihrer Bewohner erfolgte mit Hilfe von Stadtknechten, die die Mönche regelrecht aus den Klöstern trieben. Bei den Frauenkonventen setzte der Rat auf Verhandlungen. Auch hier beschloss er zwar deren Auflösung und schickte Abgeordnete, sie traten jedoch ins Gespräch mit den Bewohnerinnen und liessen ihnen deutlich mehr Zeit.

Bruchstückhafte Informationen
Trotz der nicht selbstbestimmten Entscheidung entschieden sich viele Nonnen für das Verlassen des Klosters. Doch die Situation war für viele schwierig. Denn nicht alle fanden einen Ehemann – oder besser: wollten einen Ehemann finden. Einige waren zu alt für eine Heirat. Ihnen wurde erlaubt, bis zu ihrem Lebensende im Kloster zu bleiben. Über die Einzelbiografien der austretenden Nonnen ist wenig bekannt. Man weiss bruchstückhaft von Frauen, die dem reformatorischen Ideal entsprechend Pfarrersfrau und Mutter wurden, man weiss von wieder anderen, die versuchten, als Händlerinnen auf eigenen finanziellen Beinen zu stehen. Der Handlungsspielraum hing stark von der Vermögenslage und dem sozialen Netzwerk ab. Auch weil die jährlichen Leibrenten, die die Nonnen nach dem Austritt bekamen, je nach Kloster unterschiedlich hoch ausfielen. Die Nonnen, die also weder einen Mann fanden noch von ihren Familien aufgenommen wurden, blieb nur die Möglichkeit, in ein katholisches Kloster überzutreten.


Mehr Infos zu der Geschichte der Nonnen gibt es in der Ausstellung im Landesmuseum Zürich, die man als virtuellen Rundgang hier besuchen kann. Ebenfalls online: viele Podcasts und Artikel zum Thema.

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