Wege aus dem Lockdown

Von Alexandra Baumann, Kirchenkreis vier fünf

«Ich habe so viel mehr Mühe, aus dem Lockdown rauszukommen, als mich darauf einzulassen». Diese Aussage habe ich in den vergangenen Wochen x-fach von verschiedenen Personen gehört.

Homeoffice wo möglich, enorm reduzierte soziale Kontakte und der Stillstand des öffentlichen Lebens: In den vom Bundesrat verordneten Lockdown zu gehen, war ein kollektives Umstellen für die Schweiz. Anders sieht es mit dem Lockup aus: Hier haben wir in vielen Bereichen die Möglichkeit, das Tempo selbst zu bestimmen.

Und so gehen wir auch alle dieses Thema unterschiedlich an: Die einen können es kaum erwarten, wieder am sozialen Leben teilzunehmen, das Vibrieren des Stadt-Alltages zu spüren und die verpassten sozialen Kontakte nachzuholen. Andere sind vorsichtig, leben weiterhin zurückgezogen und sind unsicher, wie viel «draussen sein» ok ist.

Genau dies ist meiner Meinung nach eine der Herausforderungen in diesem ganzen Prozess: Im Umgang mit dem Corona-Virus einen verlässlichen inneren Kompass zu haben, empfand ich als Herausforderung. Jedes Experten-Interview widerspricht dem letzten, jede neue Erkenntnis wird vielleicht schon am darauffolgenden Tag wieder umgeworfen.

Was ich mit grosser Freude feststelle: Die Menschen haben das kirchliche Zusammensein vermisst. Zwar muten die Gottesdienste mit den räumlichen Distanzen vielleicht zuerst etwas seltsam an, das Mitsummen statt Mitsingen ist gewöhnungsbedürftig – und trotzdem wird wieder am Kollektiv teilgenommen. Oft mit spürbarer Freude und der Erleichterung über diesen Weg zurück in eine veränderte Realität.

Trotzdem dürfen wir diejenigen nicht vergessen, für welche das Zurückkommen aus der sozialen Isolation nicht so einfach möglich ist. Diejenigen, die vielleicht schon vor dem Lockdown Schwierigkeiten hatten, sich unter Menschen zu mischen und bei denen die Existenz von diesem Virus zusätzliche Hürden aufbaute. Denn wir wissen nie, warum ein Mensch zurückhaltend bleibt. Vielleicht hat sie/er jemanden an eine Lungenkrankheit verloren? Vielleicht lebt sie/er mit einem/r Risikopatient*in zusammen? Und vielleicht waren diese Monate der erzwungenen Entschleunigung einfach genau das Richtige für eine Person, welche vorher immer im Hamsterrad war und nicht gleich direkt wieder einsteigen möchte?

Ich wünsche mir, dass vom Lockdown die Solidarität zurückbleibt. Dass die physische Distanznahme nicht zur enormen mentalen Distanzierung zwischen Menschen führt. Und wir Wege finden, wie wir die unterschiedlichen Tempi aus dem Lockdown akzeptieren können. Verschiedene Auffassungen und uns vielleicht unbekannte Angstgefühle zu verstehen versuchen. Und als Kirche weiterhin kreative Wege suchen, um auch mit denjenigen in Kontakt zu bleiben, welche an unserem Angebot (noch) nicht wieder persönlich teilnehmen.

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