Pfarrerin Priscilla Schwendimann im Gespräch über Pfingsten und den Heiligen Geist.

Frau Schwendimann, was ist eigentlich der Heilige Geist?
Was ist eigentlich der, die, das Heilige Geist – das ist eine gute Frage. Grundsätzlich ist der Heilige Geist einer der drei Teile der Trinität, die ja aus Gott Vater, seinem Sohn Jesus und diesem Wesen besteht. Wie genau, das ist eine der grossen Fragen, die schon immer diskutiert wurden und wesentlich zur uralten Spaltung in Ost- und Westkirche beigetragen hat. Beim sogenannten Filioque-Streit ging es darum, ob der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht – oder nur aus dem Vater.
Können Sie noch etwas konkreter werden? Worin besteht seine Rolle?
In der Bibel, diesem kryptischen und immer wieder so tröstlichen Buch, finde ich diese Trinität so wie wir sie kennen – klar formuliert – gar nicht vor. Die Evangelien handeln vor allem von Jesus, der unter den Menschen wandelt und Gott als Vater bezeichnet, und sie sprechen auch vom Heiligen Geist. Jesus kündet an, dass, wenn er selbst gegangen sein werde, darauf die oder der Heilige Geist auf die Erde kommen werde – um Trost zu spenden (Joh 14, 24-26).
Pfingsten ist der Moment, an dem viele von den Jesus Nachfolgenden mit dem Geist Gottes erfüllt werden. Oder wie die Bibel es nennt: «übergossen» wurden mit dem heiligen Geist. Diese Kraft verbindet uns und lässt uns in eine Art Ekstase fallen; der Heilige Geist ist ein Mutmacher. Sie schenkt Glauben und lässt uns Gottes Gegenwart erkennen und spüren. Er schenkt Leben.
Für mich ist der Heilige Geist der am wenigsten «in Worte» fassbare Teil dieser Trinität und gleichzeitig der heute wohl spürbarste Teil der Trinität. Die Bibel selbst nimmt nicht so oft Bezug auf den Heiligen Geist. Trotzdem wird er bei allen wichtigen biblischen «Events» erwähnt: der Taufe und dem Missionsbefehl. Er ist der «Paraklet», wie er bei Johannes bezeichnet wird, der «Tröster» – also der Teil von Gott, der uns beisteht.
Sie sprechen sowohl vom Heiligen Geist als auch von der Heiligen Geistkraft. Besteht da ein Unterschied?
Der Begriff der Heiligen Geistkraft ist sehr wahrscheinlich aus der feministischen Bewegung heraus entstanden. Gott als Vater ist ein sehr biblisches Bild, Gott als Mutter wird leider zu wenig betont, und Jesus war auch ein Mann. Daran, dass Gott nur männlich sein soll, haben sich viele feministische Theologinnen und Theologen zurecht gestört. Ruach – also der hebräische Begriff des Heiligen Geistes – ist von der Wortart her weiblich. So entstand die Idee, nicht der (oder die) Heilige Geist(in) zu sagen, sondern von der Heiligen Geistkraft zu sprechen. Und eine Kraft ist der Heilige Geist sicher.
Für mich hat das auch viel mit Energie und Kreativität zu tun. Natürlich geht es schlussendlich um eine Auslegungsfrage: Je nachdem, ob man darunter eher einen Geist oder eine Kraft versteht. Für mich persönlich ist der Heilige Geist ein geschlechtsloses Wesen, das Trost spendet und mich mit anderen und Gott verbindet.
Was auch Thema sein wird im #churchunited-Gottesdienst am Pfingstsonntag, den Sie ja mitinitiiert haben.
Genau. An diesem Video-Gottesdienst zu arbeiten, bereitet mir gerade sehr viel Freude. Er wird aus Video-Beiträgen von etwa 100 Menschen bestehen – sowohl von Pfarrpersonen als auch von Gemeindemitgliedern aus der ganzen Schweiz. Wir haben Aufnahmen von verschiedenen Kirchenglocken, die wir gleichzeitig abspielen werden; die Predigt stammt von mehreren Personen. Teile davon sind auf Italienisch, andere auf Französisch, Englisch und Rätoromanisch, und auch verschiedene schweizerdeutsche Dialekte kommen natürlich vor. Denn darum geht es an diesem Sonntag. An Pfingsten reden alle Leute durcheinander: Der Heilige Geist kommt zu uns, und wir überwinden unsere Grenzen.
Hinweis: Am Sonntag feiern wir unseren Online-Gottesdienst aus dem Zytlos. Dabei dreht sich alles um den Heiligen Geist. Pfarrer Daniel Brun dazu: An Pfingsten hat der Heilige Geist Geburtstag, so wie Jesus an Weihnachten Geburtstag hat. In diesem Sinne: Happy Birthday, Heiliger Geist! Wenn Ihr mitfeiern wollt, findet Ihr den Gottesdienst hier, auf Facebook oder Youtube.
Den #churchunited-Gottesdienst am Pfingstsonntag könnt Ihr unter folgendem Link sehen: https://vimeo.com/422789132 (wird erst am Sonntag live geschaltet.
Wisst Ihr schon, was Ihr an Pfingsten kochen wollt? Falls nicht, könnt Ihr Euch hier inspiieren lassen: Pfingsten kulinarisch.
Wollt Ihr den Ostergottesdienst mit Priscilla Schwendimann nochmals anschauen?
Ein Gedanke zu „An Pfingsten überwinden wir Grenzen“